Liebewohl

Berühmte Liebespaare: Venus und Adonis

Die Geschichte von Venus und Adonis, erzählt von William Shakespeare.

Die Übersetzung stammt von Emil Wagner aus dem Jahr 1840.


Venus und Adonis

Kaum daß vom thaubethränten Morgen schied
Das Purpurangesicht der schönen Sonne,
Als auch Adonis schon zum Waidwerk zieht;
Er haßt die Liebe, Jagd ist seine Wonne.
Ihm nach eilt Venus, voll von Liebesfeuer,
Und wirbt um ihn, ein ungestümer Freier.

"O dreimal schöner du" – so hebt sie an –
"Als selber ich, was kann ich dir vergleichen?
Du, Hohn den Nymphen, schöner als ein Mann,
Dem Taub’ und Rose selbst an Farbe weichen!
Die Schöpfung, die in dir sich überboten,
Zählt, wenn du stirbst, das Leben zu den Todten!

Geruhe du vom Roß herabzusteigen,
Mach’s fest am Sattelknopf, laß es allein;
Und willst du diese Gnade mir erzeigen,
Dann weih’ ich dich in manch Geheimniß ein.
Komm, setze sich, hier zischet keine Schlange,
Daß ich in Küssen liebend dich umfange.

Doch überlad’ ich drum die Lippen nicht,
Sie sollen in der Fülle Mangel fühlen;
Daß Röthe bald, bald Blässe sie umflicht,
Will ich mit Küssen und mit Küßchen spielen;
Zur Stunde scheint ein Sommertag verkürzt,
Wird er mit holdem Liebesspiel gewürzt." –

Und sie ergreift die feuchte Hand des Knaben,
Die voll von Lebensfülle, voll von Kraft;
Sagt, daß an ihr sich Götter könnten laben,
Nennt Balsam sie und bebt vor Leidenschaft.
Ihr hat Begier die Stärke selbst verliehn,
Vom Rosse muthig ihn herabzuziehn.

Es sucht ein Arm die Zügel zu bewahren,
Der andre hält den Knaben, zart und hold,
Der, in der Liebe Spielen unerfahren,
In thörichter Verachtung zürnt und schmollt.
Sie, glüh’nden Kohlen gleich, so roth und heiß,
Er, roth vor Scham, doch an Begier nur Eis. –

Den schönen Zaum hat sie auf einen Ast
(Wie schnell ist Liebe doch!) bald aufgehängt;
Fest steht das Roß, und sie beginnt in Hast
Nun den Versuch, wie sie den Reiter fängt;
Sie wirft ihn nieder, wünscht, daß er sie stieße,
Und sich nicht nur durch Kraft besiegen ließe.

Kaum daß er liegt, legt sie sich neben ihn;
Sie stützen Arm und Hüften auf den Grund;
Sie streichelt seine Wangen, diese glühn; –
Er schmält, sie schließt mit Küssen ihm den Mund,
Und sagt, indem sie Küsse unterbrechen:
"O schmälest du, dann sollst du gar nicht sprechen."

Vor Scham erröthet er, sie löscht mit Zähren
Der Wangen Mädchengluth; mit Seufzern dann
Und goldnem Haar sucht sie dem Strom zu wehren,
Ob sie vielleicht ihn trocken fächeln kann.
Er nennt sie frech, und tadelt ihr Gelüste,
Bis sie das Weit’re ihm vom Munde küßte.

Gleich wie der Adler, den der Hunger zwingt,
Mit scharfem Schnabel Fleisch und Bein zerreißt,
Die Flügel schüttelt, Alles in sich schlingt
Bis er gesättigt, und der Fang verspeis’t,
So küßt sie Kinn und Mund und Augenlieder,
Und wo sie endet, da beginnt sie wieder.

Er, der unwillig und gezwungen leidet,
Haucht ihr in’s Antlitz, schöpfet keuchend Luft;
Und sie, die sich an seinem Athem weidet,
Nennt ihn der Grazien Hauch, des Himmels Duft,
Wünscht, ihre Wangen wären Blumenauen,
Und daß so süße Tropfen sie bethauen.

Dem Vogel gleich, der sich im Netz gefangen,
So ruht Adonis in den Armen ihr;
Ihm röthen Scham und wilder Zorn die Wangen,
Und leihen seinem Antlitz größ’re Zier.
Ein voller Fluß, den Regengüsse schwellen,
Tritt über seine Ufer mit den Wellen.

Sie bittet noch, sie bittet schön und hold,
Denn ihre Worte hört ein schönes Ohr;
Doch er ist mürrisch, düster stets und schmollt;
Bald herrschet Scham in ihm, bald Aerger vor
Erröthet er, dann liebt sie ihn so heiß,
Und glüht in tief’rer Liebe, wird er weiß.

Doch, mag er nun erröthen, mag erbleichen,
Sie liebt ihn stets, und schwört bei ihrer Hand,
Von seinem zarten Busen nie zu weichen,
Bis er den Thränen Frieden zugestand;
Sie netzen ihre Wangen unter Qualen:
Nun soll ein Kuß die große Schuld bezahlen.

Bei dem Versprechen hebet er dem Mund; –
Wie aus der Fluth die Taucherente blicket,
Die, wenn gesehn, schnell tauchet in den Grund,
So bietet er ihr dar, was sie beglücket;
Ist sie bereit, die süße Schuld zu nippen,
Schließt er das Aug’ und wendet ab die Lippen.

Nie war ein Durst des Wandrers zu vergleichen
Dem Durst, der sie verzehrt nach diesem Gut;
Sie sieht ihr Heil, und kann es nicht erreichen;
Im Wasser badet sie, und brennt vor Gluth.
Sie ruft: "Hartherz’ges Kind, sei nicht so spröde!
Mitleid! Nur einen Kuß! Was bist du blöde!

Man warb um mich, wie ich mich dir geneigt,
Und selbst der starke wilde Gott der Krieger,
Der nie im Kampf den Nacken noch gebeugt,
Er, der aus jedem Streite kam als Sieger,
Er war mein Sklave, diente mir und glühte
Für das, was ich dir ungebeten biete.

An meinen Altar hängt’ er seine Lanze,
Den narbenvollen Schild, des Helmes Erz,
Um meinetwillen huldigt’ er dem Tanze,
Und lernte Spiel und Tanz und leichten Scherz.
Die Fahn’ und Trommel ließ er; zum Gezelt
Ward ihm mein Bette, meine Brust zum Feld.

Ihn, der die Welt besiegt, hab’ ich gelenkt,
In Rosenketten hielt ich ihn gefangen;
Und er, vor dessen Kraft der Stahl sich senkt,
Er warb um mich mit knechtischem Verlangen.
O sei nicht stolz darauf, daß du gebunden
Mich, die den Gott der Schlachten überwunden. –

Berühre nur mit deinen Lippen meine,
Roth sind sie, wenn auch schön wie deine nicht;
Der Kuß ist dann der meine wie der deine;
Was blickst du nieder? Sieh’ mir in’s Gesicht!
Mach’, Liebchen! daß ich deine Schönheit sauge,
Und dann, – so Lipp’ auf Lipp’, wie Aug’ in Auge.

Wenn du dich schämst, so laß das Aug’ sich schließen,
Ich schließ’ auch meines; Tag wird dann zur Nacht;
Die Liebe läßt sich nur zu zwei’n genießen;
Sei kühn im Spiele, wir sind unbewacht;
Die blauen Veilchen hier, die auf uns sehen,
Sie plaudern nicht, weil sie uns nicht verstehen.

Der zarte Flaum, der deinen Mund umzieht,
Sagt, daß du unreif zwar, doch schon zu kosten;
Mach’ nicht, daß die Gelegenheit entflieht,
Laß nicht die Schönheit in sich selbst verrosten;
Man muß die Blumen pflücken, wenn sie blühen,
Da sie so bald verwelken und verglühen

Wär’ ich bedeckt mit Runzeln schon, und alt,
Von rauher Stimme, bäurisch, ohne Kraft,
Verachtet und entstellt, verblüht und kalt,
Triefäugig, dürr und hager, ohne Saft,
Dann zögere, dann wär’ ich nicht für dich,
Doch makellos, – warum verschmähst du mich?

Kannst du auf meiner Stirne Falten sehn?
Mein Aug’ ist hell und klar, noch bin ich stark,
Ich gleiche stets dem Frühling, ich bin schön;
Noch bin ich voll und weich, noch glüht mein Mark;
Die sanfte, feuchte Hand wird in der deinen,
Wenn du sie fassen willst, zu schmelzen scheinen.

Laß plaudern mich: ich will dein Ohr entzücken,
Ich schwebe, Feen gleich, auf grüner Flur;
Willst du mich mit gelös’tem Haar erblicken?
Im Sande lass’ ich tanzend keine Spur!
Die Lieb’ ist geistig, hat im Feuer Leben,
Sie sinket nie, stets will sie höher schweben.

Sieh’s hier am Gras, dem Lager meiner Hüfte:
Die weichen Blumen tragen mich gleich Bäumen,
Zwei schwache Tauben ziehn mich durch die Lüfte
Vom Morgen bis zur Nacht, und ohne Säumen.
Die Lieb’ ist leicht, mein Kind, und dir allein,
Dir, Liebchen, sollte sie bechwerlich sein?

Ist’s, daß dein Herz dein Aug’ um Liebe fleht?
Kann deine rechte Hand die linke lieben?
Dann wirb’ um dich, sei von dir selbst verschmäht,
Stiehl deine Freiheit dir, und sprich von Dieben;
So ward Narcissus Opfer seiner Lüste,
Er starb, als er im Bach sein Bildniß küßte.

Die Perle dient zum Schmuck, das Licht zum Schein,
So soll auch frische Schönheit Nutzen geben;
Das Kraut muß Duft, der Baum soll Frucht verleihn,
Was nur sich selber lebt, mißbraucht das Leben,
Von Saat kommt Saat, verbirg die Schönheit nicht,
Du bist erzeugt, – erzeugen ist dir Pflicht. –

Was nutzest du der Erde Frucht als eigen,
Wenn du nicht Frucht der Erde bringest zu?
Schon die Natur befiehlt dir zu erzeugen,
Damit die Deinen leben, stirbst auch du;
So wirst du deinen Tod selbst überleben,
Wenn du dein Ebenbild der Welt gegeben."

Hier fand der Liebe Göttin, daß sie schwitze;
Der Schatten wich vom Lagerplatz zurück,
Und Titan, müde von der Mittagshitze,
Schaut nieder auf das Paar mit heißem Blick,
Wünscht, daß Adonis seine Rosse leite,
Und sich, in dessen Statt, an Venus Seite.

Adonis, dem ihr Sprechen widerlich,
Deß Auge längst in Zornesgluthen funkelt,
Deß Antlitz und gesenkte Braue glich
Dem Himmel, wenn ihn Nebelflor verdunkelt,
Ruft mißgestimmt: "O pfui! Nicht’s mehr von Liebe,
Die Sonne brennt zu heiß, als daß ich bliebe."

"So jung", sprach Venus, "und so hart gesinnt?
Wie schlechte Gründe wählst du, mich zu meiden!
Ich seufze Himmelsathem, dessen Wind
Läßt dich nicht länger Sonnenhitze leiden;
Mein Haar soll kühlen Schatten dir gewähren,
Und brennt auch das, so lösch’ ich es mit Zähren.

Des Himmels Sonne scheinet ja nur warm;
Ich liege zwischen dir und ihrem Strahl;
Mir macht die Sonne nur geringen Harm,
Dein Aug’ entzündet meiner Flammen Qual;
Wär’ ich unsterblich nicht, ich müßte sterben,
Die Doppelgluthen brächten mir Verderben.

Bist du von Stahl, bist du von Kieselstein?
Nein, mehr als das! Den Kiesel höhlt der Regen,
Du, eines Weibes Sohn, kennst nicht die Pein
Verschmähter Liebe, nicht der Liebe Segen?
So hart wie du, war deine Mutter nicht,
Sonst sähst du nimmer wohl der Sonne Licht!

Wer bin ich denn, du lieblicher Verächter?
Befürchtest du Gefahr von mir? – Warum?
Macht denn ein Küßchen deine Lippen schlechter?
Sprich, doch sprich sanft, sonst bleibe lieber stumm.
Gieb mir ’nen Kuß, ich will ihn wiedergeben,
Und einen zweiten noch als Zins daneben.

Du bist ein Schatten, bist ein kalter Stein,
Ein schöngemalter Götze, bist von Thon,
Ein Marmorbild, nur für das Aug’ allein,
Scheinbar ein Mann, doch keines Weibes Sohn;
Du bist kein Mann, du kennest nicht die Liebe,
Denn Männer küssen gern aus eig’nem Triebe." –

Sie schweigt; sie fühlt zu sprechen noch Verlangen,
Doch zwingt zur Pause sie die Leidenschaft;
Der Unmuth leuchtet ihr aus Aug’ und Wangen,
In eig’ner Sache mangelt ihr die Kraft.
Sie weint; sie hätte gerne mehr gesprochen,
Doch sieht sie sich von Seufzern unterbrochen.

Bald schüttelt sie das Haupt, bald seine Hand,
Bald blicket sie auf ihn und bald zur Erden,
Bald schlingt ihr Arm sich um ihn wie ein Band,
Sie will, und er will nicht umarmet werden;
Und sucht er ihrem Druck sich zu entwinden,
Läßt sie die Lilienfinger sich verbinden.

Sie spricht: "Hab’ ich dich eingezäunt einmal,
Mein Kind, in diesen Zaun von Elfenbein,
So weide du getrost auf Berg und Thal;
Ich will der Park, du sollst der Hirsch drin sein;
Von meinen Lippen trink’; wenn sie versiegen,
Geh’ weiter, wo die schönen Quellen liegen.

Da giebt es süßes, hohes Gras voll Frische;
Wie schön, wie reizend dort die Eb’nen sind!
Und runde Hügel, dunkele Gebüsche,
Die schützen dich vor Regen und vor Wind
Sei du mein Hirsch, der Park soll dir gehören,
Kein Hund, – ob tausend bellen, – soll dich stören."

Adonis lächelt drob, als wollt’ er spotten,
Und jede Wange zeigt ein Grübchen fein;
Die Liebe selber machte diese Grotten,
In ihnen will sie einst begraben sein;
Sie weiß, daß, wenn sie dieses Grab erworben,
Wo Liebe lebt, sie selber nicht gestorben.

Es öffnen diese runden Zauberhöhlen
Nun ihren Mund, und stellen Venus nach;
Jetzt muß ihr gänzlich die Besinnung fehlen,
Ein Schlag genügt, wozu der zweite Schlag?
Sie selbst gab das Gesetz, durch das sie schmachtet:
Sie liebt den Mund, der höhnisch sie verachtet

Was sagt sie nun? Was soll sie nun beginnen?
Die Worte fehlen ihr, ihr Leid ist groß;
Die Zeit verstrich, nun will auch er von hinnen,
Und windet sich aus ihren Armen los.
Sie ruft: "Nur eine Gunst gewähre du!"
Er rafft sich auf, und eilt dem Renner zu.

Doch sieh’! aus dem benachbarten Gebüsche
Hat eine Stute seinen Hengst erschaut,
Die jung noch war; voll Stolz und Jugendfrische
Stürzt sie hervor, und schnaubt und wiehert laut;
Das an den Baum geknüpfte, muth’ge Thier
Zersprengt den Zaum im Nu, und jagt zu ihr.

Stolz bäumt es sich, das Haupt emporgehoben, –
Es reißen die gewebten Gurte los,
Es scheint sein Huf die Erde zu erproben, –
Es tönt dem Donner gleich ihr hohler Schooß, –
Und das Gebiß, das man ihm aufgedrungen,
Bezwingt der Renner, wie es ihn bezwungen

Die Mähne sträubt sich auf des Halses Bogen,
Die jüngst in Flechten hing; er spitzt das Ohr,
Er schnaubt die Luft fort, die er eingesogen,
Wie aus dem Ofen steigt der Dampf empor;
Es blitzt das Auge mit des Feuers Gluth,
Und zeiget sein Verlangen, seinen Muth.

Er trabt, als zählt’ er seine Schritte, leicht,
Mit Majestät und edlem Stolz einher,
Dann bäumt er sich und wendet kurz und steigt,
Als spräch’ er: Seht auf meine Kraft, schaut her!
Nur darauf geht mein Trachten und mein Sinnen,
Die Gunst der schönen Stute zu gewinnen!

Was kümmert ihn des Reiters wilder Zorn,
Sein schmeichelnd: "Halt!" sein "Steh’ doch, sag’ ich dir!"
Was achtet er auf Zügel nun und Sporn,
Was auf des köstlichen Geschirres Zier –
Er sieht nichts Andres, als sein Liebchen stehn,
Denn sie allein nur will sein Auge sehn

Wenn die Natur ein Künstler überschreitet,
Und die Vollkommenheit des Pferdes malt, –
Wie dann die Kunst die Wirklichkeit bestreitet,
Wie dann der Schein das Leben überstrahlt,
So übertrifft dies Roß die andern weit
An Muth und Farbe, Gang und Zierlichkeit.

Rundhufig, Fesseln kurz, die Haare lang,
Die Nüstern groß, und breit die Brust gebaut,
Die Ohren kurz, und fest in Kreuz und Gang,
Die Mähne dünn, dickschweifig, zart von Haut, –
Nichts fehlet ihm, was einem Roß gebührt,
Als nur ein Herr, der seinen Rücken ziert.

Bald springt er fort, steht wieder still und lauschet, –
Bald wird der Sturm im Lauf von ihm besiegt;
Dann starrt er plötzlich, wenn ein Blättchen rauschet, –
Wer will entscheiden, ob er rennt, ob fliegt?
Er weiß dem Winde Mähn’ und Schweif zu geben,
Daß beide, Flügeln gleich, die Luft durchschweben.

Er schaut auf sie, und wiehert ihr entgegen;
Antwort giebt sie, als könnte sie’s verstehn;
Sie stellt sich keusch und hart, wie Weiber pflegen,
Wenn sie begehrt, wenn sie geliebt sich sehn.
Sie spottet seiner Gluth, höhnt seine Hitze,
Und bietet mit den Hufen ihm die Spitze.

Doch er, schwermüthig gleichsam und betrübt,
Läßt seinen Schweif sich, wie ’nen Fittig, biegen,
Daß er den heißen Lenden Schatten giebt,
Und stampft, und beißt vor Grimm die armen Fliegen;
Sein Lieb, das ihn so zornig toben sieht,
Wird milder nun, und seine Wuth entflieht

Da kommt im Zorn sein Herr, ihn einzufangen,
Und diesen trifft der Stute scheuer Blick;
Schon ist sie furchtergriffen durchgegangen,
Ihr nach der Hengst, – Adonis bleibt zurück;
Sie jagen in den Wald mit Windeswehen,
Und lassen hinter sich den Flug der Krähen.

Vom Laufen müde sitzt Adonis nieder,
Und er verwünschet sein unbänd’ges Pferd;
Der Göttin zeigt die Möglichkeit sich wieder,
Das zu erörtern, was sie heiß begehrt;
Ein liebend Herz wird dreifach dulden müssen,
Wenn ihm der Zunge Beistand ist entrissen.

Verstopft den Ofen, hemmt des Stromes Fließen,
So glüht er heißer, schwillt mit größ’rer Wuth;
Ein Gleiches ist’s, muß man den Gram verschließen,
Worte besänftigen der Liebe Gluth;
Doch ist der Mund, des Herzens Anwalt, still,
Bricht der Client, der dann verzweifeln will.

Er sieht sie kommen, und beginnt zu glüh’n; –
So weckt der Wind die todte Kohle wieder; –
Die Mütze sucht er in’s Gesicht zu zieh’n,
Und blickt verwirrt zur stummen Erde nieder;
Er achtet nicht darauf, daß sie so nah,
Da er nur seitwärts auf die Göttin sah.

O welch ein Anblick war’s, sie zu belauschen,
Als sie zum eigensinn’gen Knaben schlich!
Wie kämpfend ihren Platz die Farben tauschen,
Wie Roth der Weiße, Weiß der Röthe wich,
Wie ihre Wange bald erbleicht, bald glühet,
Als ob des Blitzes Strahl vom Himmel sprühet.

Nun hat sie ihn erreicht. Vor seinem Sitze
Fällt sie auf’s Knie, mit demuthsvollem Sinn;
Sie lüftet ihm mit einer Hand die Mütze,
Es fühlt die andre nach der Wange hin,
Und die empfängt der Finger Spur so leicht,
Wie frischer Schnee, der jedem Eindruck weicht.

O welch ein Krieg von Blicken zwischen ihnen!
Wie ihre Augen ihn um Liebe flehten!
Wie seine sahn, und nicht nicht zu sehen schienen!
Wie ihre warben, seine stets verschmähten,
Und es erklärte dieses stumme Spiel
Der Thränenchor, der ihrem Aug’ entfiel

Nun faßt sie zärtlich seine schöne Hand, –
’ne Lilie, in Haft von Schnee gebunden,
Ein Elfenbein im Alabasterband,
Ein weißer Feind vom weißen Freund umwunden.
Der Kampf von Nehmen und von nicht Erlauben,
Schien wie das Schnäbeln silberweißer Tauben.

Nochmals fing ihres Kummers Herold an:
"Du Lieblichster auf diesem Erdenrund,
Ich wollte, du wärst ich, und ich ein Mann,
Ich heil, wie du, dein Herz, wie meines, wund!
Um einen Blick würd’ ich dir Hülfe spenden,
Und müßte für dein Heil mein Leben enden.

"Gieb los die Hand," sprach er, "du willst mich quälen!"
Sie sprach: "Gieb los mein Herz, dann geb’ ich sie;
Gieb’s los, sonst wird dein Herz das meine stählen,
Und ist’s gestählt, hört es auf Seufzer nie;
Dann bleiben Liebesklagen ungehört:
Adonis hat mein Herz mit Stahl bewehrt." –

"O pfui!" ruft er, "laß sie, und laß mich geh’n,
Des Tages Lust ist hin, mein Roß entwich;
Durch deine Schuld muß ich beraubt mich seh’n,
Ich bitte dich, geh’ fort, verlasse mich,
Denn mich erfüllt ein einz’ger Wunsch allein, –
Den Hengst von jener Stute zu befrei’n."

Die Göttin sagt: "Es war des Hengstes Pflicht,
Sich an der Liebe süßer Gluth zu letzen;
Denn kühlet man der Neigung Kohle nicht,
So wird sie bald das Herz in Flammen setzen.
Die See hat Grund, die Lieb’ ist grundlos tief,
Drum ist’s kein Wunder, daß dein Roß entlief.

Wie stand er einem Gaule gleich am Baum,
Vom schlechten Zügel knechtisch angebunden!
Doch als er sie gesehn, zersprang der Zaum,
Im Nu hatt’ er der Fessel sich entwunden;
Er riß das Band; sich seiner Kraft bewußt,
Befreit’ er Schenkel, Nacken, Kreuz und Brust.

Wer sähe wohl sein Liebchen nackt im Bette,
Wie sie die Linnen ächte Weiße lehrt,
Der, wenn er erst das Aug’ gesättigt hätte,
Nicht mit den andern Sinnen auch begehrt?
Wer ist so feige, der nicht kühn es wagte,
Zu nah’n dem Feuer, wenn ihn Kälte plagte?

Laß mich den Hengst entschuld’gen, holder Knabe!
Lerne von ihm, – ich bitte dich darum, –
Genießen dargebotner Freude Gabe;
Mag er dich lehren, wär’ ich selber stumm.
O lerne lieben! Leicht nur ist die Müh’,
Und kannst du’s einmal, du vergißt es nie."

"Die Liebe kenn’ ich nicht, will sie nur dulden,
Wenn sie ein Eber, ist, dann hetzt’ ich sie," –
Sprach er. "man borgt da viel, ich mag nichts schulden;
Ich lieb’ der Liebe Spott, sonst lieb’ ich nie.
Man sagt, sie soll im Tod noch lebend scheinen,
Und lachen zu derselben Zeit und weinen.

Wer trägt ein Kleid, formlos und unvollendet,
Pflückt Blüthen, eh’ ihm Blätter sind beschert?
Wird einer Knospe nur ein Punct entwendet,
So welkt sie hin, und bleibet ohne Werth.
Ein Füllen, das zu jung erträgt Beschwerden,
Verliert den Muth, und wird nie kräftig werden.

Wir scheiden nun! Die Hand ist mir gepreßt!
Genug der müßigen und eitlen Worte!
Gieb die Belag’rung auf, mein Herz bleibt fest,
Und schließet stets der Liebe seine Pforte.
Die Schwür’ entlaß, der falschen Thränen Regen,
Sie werden starke Herzen nicht erlegen."

"Wie!" klagte Venus nun, "so kannst du sprechen?
O wär’ dem anders, oder hört’ ich nicht!
Die Zauberstimme wird das Herz mir brechen;
Erst litt ich, nun erlieg’ ich dem Gewicht!
Melod’scher Mißlaut, bittre Himmelsfreuden,
Musik der Erde, un des Herzens Leiden!

Könnt’ ich nicht sehen, könnt’ ich nichts als hören,
Dein Inn’res, Unsichtbares liebt’ ich dann;
Und wär’ ich taub, so würd’ ich dich begehren
Mit jedem Theil in mir, der fühlen kann;
Ja, sollten Augen mir und Ohren fehlen,
Mich würde das Gefühl für dich beseelen!

Und wär’ ich um das Denken selbst gekommen,
Und fühlt’ ich nicht, und wär’ ich taub und blind,
Und der Geruch allein mir nicht genommen,
Ich liebte dich mit gleicher Liebe, Kind!
Ein Duft ist, den dein Angesicht gewährt,
Ein Balsamathem, der die Liebe nährt!

Doch den Geschmack! – wie würdest du ihn laben,
Ihn, dem die andern alle vier entsprießen!
Sie wünschten ihm, stets solch ein Mahl zu haben,
Beföhlen dem Verdacht die Thür zu schließen,
Daß nicht die Eifersucht vom Feste höre,
Und durch ihr Nah’n des Mahles Freuden störe."

Es öffnet nochmals die Rubinenpforten,
Daraus sein Wort den Honigdurchgang findet,
Dem rothen Morgen gleich, der aller Orten
Schiffbruch dem Seemann, Sturm dem Felde kündet,
Dem Schäfer Sorg’ und Noth, den Vögeln Leiden,
und Regenwind den Heerden auf den Heiden.

Es merkt die Göttin auf das böse Zeichen; –
Wie, eh’ er heult, der Wolf die Zähne bleckt,
Wie, eh’ es regnet, gern die Winde weichen,
Die Beere platzen muß, eh’ sie befleckt,
Dem Schusse gleich, der tödtet, eh’ er spricht: –
Versteht sie ihn, und dennoch sprach er nicht.

Schon bei dem Blick sinkt sie zur Erde nieder,
Denn Liebe stirbt und Liebe lebt von Blicken;
Des Zürnens Wunde heilt ein Lächeln wieder, –
Doch, Heil dem Armen, dem es so mag glücken!
Der liebe Knabe, wähnend, sie sei todt,
Reibt ihre Wang’, und macht sie reibend roth,

Daß er vor Schreck es ganz und gar vergißt,
Wie er vorher sie scharf zu tadeln dachte!
Verhindert hat sie das mit feiner List,
Gut war der Einfall, der Vertheid’gung brachte.
Sie liegt wie todt im Gras dahingestreckt,
Bis sie sein Hauch zu neuem Leben weckt.

Er zupft die Nase ihr, reibt ihr die Wangen,
Er fühlt den Puls, kaum weiß er sich noch Rath,
Er wärmt die Lippen, zeiget sein Verlangen,
Zu bessern das, was er so lieblos that,
Und giebt ihr Küsse; würd’ er immer küssen,
Sie würde nie sich zu erheben wissen!

Zum Tage wandelt sich der Sorgen Nacht,
Da sie zwei blaue Fenster wieder hebet,
Der Sonne gleich, wenn sie mit junger Pracht
Den Morgen grüßt, und alle Welt belebet;
Und wie die Sonne strahlt als Himmelslicht,
Erleuchtet ihr das Aug’ ihr Angesicht.

Es richtet auf Adonis seine Flammen,
Als borgt’ es nur von diesem allen Schein;
Vier solche Lampen glänzten nie zusammen,
Nur daß im Unmuth noch die seinen dräu’n.
Ihr Aug’, das durch krystall’ne Thränen glüht,
Scheint Mondlicht, das man Nachts im Wasser sieht.

"Bin ich im Himmel, bin ich noch auf Erden?"
Sprach sie, "bin ich im Meer, in Feuersgluth?
Ist’s Morgen, oder will es Abend werden?
Wünsch’ ich den Tod mir, wünsch’ ich Lebensmuth?
Noch eben lebt’ ich, – Tod war solches Leben,
Ich starb, süß war der Tod , von dir gegeben.

Du gabst mir Tod; so tödte denn mich wieder;
Die Augen thun ja, was das Herz befahl!
So voll Verachtung sahst du auf mich nieder,
Daß, ach! der Tod in meine Brust sich stahl.
Und hätte Mitleid nicht dein Mund empfunden,
Es wäre meiner Augen Licht geschwunden.

Lang mögen deine Lippen noch sich küssen
Für diesen Dienst! Nie mögen sie verglüh’n,
Ihr Glanz mag stets sich zu erhalten wissen,
Mag Pest und Fieber schnell vor ihnen flieh’n,
Und mögen lange noch Sterndeuter sagen:
Sie sind’s allein, die jede Noth verjagen.

Du hast mir sanfte Siegel aufgedrückt;
Wir handeln drum! Was geb’ ich dir für neue?
Mich selbst zu geben wär’ ich hoch beglückt,
Wenn du nur kaufen willst, und zahlst mit Treue;
Aus Furcht vor Trug besiegle selbst den Kauf,
Und drück’ dein Siegel meinen Lippen auf.

Für tausend Küsse kaufest du mein Herz;
Du setzest selber dir die Zahlungsfrist.
Zehnhundert Küsse sind dir ja nur Scherz,
Sind sie nicht schnell gesprochen, schnell geküßt?
Die Schuld wird doppelt, zahlst du nicht zur Zeit,
Zwei tausend Küsse sind ’ne Kleinigkeit."

Er sprach: "Wenn du mich liebst, o Königin!
Halt’ meine Scheu den Jahren dann zu gut;
Ich weiß ja selber kaum noch, wer ich bin,
Der Fischer schont der unerwachs’nen Brut,
Und herbe schmeckt, gepflückt, die grüne Pflaume,
Versucht man sie; die reife fällt vom Baume.

Der Trost der Welt, die müde Sonne geht
Zur Ruh’; vollendet ist des Tages Bürde,
Die nächt’ge Eule ruft: es ist schon spät!
Der Vogel sucht sein Nest, das Schaf die Hürde,
Die Wolken, die den Himmel schwarz bekleiden,
Sprechen gut’ Nacht! und mahnen uns an’s Scheiden.

Nun sag’ auch ich: gut’ Nacht, und so sprich du,
Und wenn du’s thust, will ich dich nochmals küssen."
"Gut’ Nacht!" sprach sie, und eh’ er "sanfte Ruh’!"
Gesagt, hat sie ihm schon den Lohn entrissen,
Den er versprach; sie weiß ihn zu umschlingen,
Daß sie sich gegenseitig fast durchdringen,

Bis er, fast athemlos, zurückgebogen
Den süßen Mund, auf dem die Liebe spielt,
Deß Nektar ihre durst’gen Lippen sogen,
An dem sie schwelgt, und doch sich durstig fühlt.
Da sinken Beide, sie vor Mangel blaß,
Er, fast erdrückt vom Ueberfluß, in’s Gras.

Nun kann nichts mehr dem Gluthverlangen wehren;
Sie raubt und schwelgt, und wird doch nimmer satt;
Ihr Mund erobert, seiner läßt gewähren,
Und was sie fordert, zahlt er, er ist matt.
Doch nichts kann ihrem Geiersinn genügen,
Es will selbst seiner Lippen Schatz versiegen.

Und da sie fühlt, wie süß das Rauben thut,
Beginnt sie bald in toller Wuth zu plündern,
Ihr Antlitz glüht, es kocht ihr siedend Blut,
Nichts kann der Wollust Raserei verhindern;
Vernunft entflieht, die Scham ist längst vertrieben,
Selbst Trümmer nicht von Ehre sind geblieben.

Von ihrer Glut zur Ohnmacht fast gebracht,
Gezähmt durch Druck und Kuß, wie ’n Vögelein,
Ein schnelles Reh, ermüdet von der Jagd,
Ein Kind, das eingewiegt aufhört zu schrei’n,
Gehorcht er nun, und setzt sich nicht zur Wehr;
Sie nimmt, was sie bekommt, und möchte mehr.

Kein Wachs so hart, das Feuer nicht erweicht,
So, daß es jedem Eindruck dann sich füget;
Das Unverhoffte wird durch Muth erreicht,
Zumal im Lieben, wo der Held nur sieget;
Denn Liebe bebt nicht feig und scheu zurück,
Sie wächst, je ferner ihr erwünschtes Glück.

Nie durfte sie der süße Nektar laben,
Wenn sie dem frühern Zürnen vorschnell wich;
Wer liebt, darf keine Scheu vor Blicken haben –
O Rose, trotz der Dornen pflückt man dich!
Wollt Schönheit unter zwanzig Schlösser bringen,
Die Liebe wird den Weg zu ihr erzwingen.

Aus Mitleid hört’ sie auf, ihn zu umfassen,
Er bittet sanft, sie mög’ ihn doch befrei’n,
Und sie beschließt, ihn endlich zieh’n zu lassen,
Befiehlt ihm, ihrer eingedenk zu sein,
Und schwört ihm bei Cupido’s Pfeil und Bogen,
Es sei ihr Herz in seine Brust gezogen.

Sie spricht: "Ich werde diese Nacht in Sorgen
Hinbringen müssen; schlaflos werd’ ich sein.
Sag’ mir, Geliebter! treffen wir uns morgen?
O sprich, gehst du auf meinen Vorschlag ein?"
Er schlägt es aus; er hat mit den Genossen
Für morgen eine Eberjagd beschlossen.

Sie spricht: "Ein Eber!" und wird plötzlich bleich,
Es legt ein Schleier sich um ihre Wangen,
Der Rosen Roth verhüllend; und sogleich
Hat sie zum zweiten Mal ihn schon umfangen;
Sie sinkt, an seinem Nacken hangend, nieder,
Er fällt auf sie und drückt die zarten Glieder.

Nun ist sie in der Liebe letzten Schranken,
Schon saß ihr Ritter auf zu Kampf und Sieg! –
Doch ach! das Alles sind ja nur Gedanken, –
Er lenkt das Rößlein nicht, das er bestieg.
So muß sie mehr als Tantalus noch leiden,
Umfängt Elysium, entbehrt die Freuden.

Wie Vögel, die gemalte Trauben seh’n,
Im Anblick schwelgend den Genuß entbehren,
So schmachtet sie, und will in Gluth vergeh’n,
Denn gleich den Vögeln sieht sie nur die Beeren.
Das eine Letzte, was sie noch vermißt,
Entzünden will sie das, indem sie küßt.

Umsonst, o Göttin! es gelingt dir nie!
Nichts giebt es mehr, was zu versuchen bliebe;
Wohl größern Lohn verdiente solche Müh’,
Die Liebe selbst liebt ohne Gegenliebe!
"O pfui, du drückst mich!" spricht er, "laß mich eilen,
Mit welchem Recht zwingst du mich, zu verweilen?"

"Ich wollte dich entlassen, wie du weißt,"
Erwidert sie, "da sprachest du vom Jagen;
O laß dir rathen! Weißt du, was es heißt,
Mit bloßem Speer zum Eber sich zu wagen,
Der stets die unbedeckten Hauer wetzt,
Und gleich dem Fleischer sich am Morde letzt?

Des krummen Rückens borst’ge Stacheln dräu’n
Dem Untergang, der kühn ihm widersteht;
Die Augen leuchten mit des Glühwurms Schein,
Und Gräber, wühlt die Schnauze, wenn er geht.
Wird er gereizt, dann schlägt er tiefe Wunden,
Und wen er schlägt, der kann nicht mehr gesunden.

Die Seiten, die mit borst’gem Haar besetzt,
Nie wird dein leichter Wurfspieß sie durchdringen;
Sein kurzer Nacken wird nur schwer verletzt,
Und zürnt er, könnt’ er fast den Löwen zwingen!
O schrecklich ist er selbst den Dornensträuchen,
Denn wenn er naht, so scheinen sie zu weichen.

Der achtet nicht dein holdes Angesicht,
Darauf das Aug’ der Lieb’ in Wonne blickt,
Noch deiner Hand, der süßen Lippe nicht,
Deren Vollendung alle Welt entzückt,
Erschaut’ er bei der Jagd dich, – o Entsetzen! –
Er würde dich, gleich wie die Flur, zerfetzen.

Laß ihn im Röhricht, bleib’ er, wo er war!
Schönheit hat nichts zu thun mit solchen Feinden,
Begieb dich nicht freiwillig in Gefahr!
Nur dem geht’s wohl, der Rath annimmt von Freunden.
Als du vom Eber sprachst, mein süßes Leben,
Da fing ich an zu zittern und zu beben.

Hat nicht Entsetzen mir gelös’t die Glieder?
Wich nicht aus meinem Angesicht das Blut?
Ward ich nicht bleich, sank ich nicht plötzlich nieder?
In meiner Brust, an der die deine ruht,
Pocht laut mein Herz, und klopft, und schlägt, und zittert,
Daß es selbst dich, Erdbeben gleich, erschüttert. –

Wo Liebe herrscht, da weilt die Eifersucht;
Sie nennet sich der Liebe sichre Wache,
Schlägt falschen Lärm, denkt immer nur an Flucht,
Und träumt im Frieden selbst von Mord und Rache.
Sie stört der Liebe Ruh’ in blinder Wuth,
Wie Luft und Wasser hemmt des Feuers Gluth.

Die böse Feindin, die den Streit entzündet,
Der Krebs, der an der Liebe Frühling nagt.
Die Eifersucht, die Mährchen stets erfindet,
Und oft zwar Wahres, doch oft Falsches sagt,
Schlägt an mein Herz, und flüstert mir in’s Ohr:
Wenn du ihn liebst, beug’ seinem Tode vor.

Und mehr als das noch, da sie mir entdeckt
Des wuthempörten Ebers schrecklich Bild,
Und unter seinen Hauern hingestreckt
Ein Wesen, gleich wie du, so sanft und mild,
Deß Blut die frischen Blumen übersteiget,
Sie trauern macht, und ihre Häupter neiget.

Und wenn dem nun die Wirklichkeit entspricht?
Schon der Gedanke füllet mich mit Grauen,
Und macht, daß mir das Herz im Busen bricht;
Es läßt die Furcht mich in die Zukunft schauen:
Dich trifft der Tod, jagst du den Eber morgen!
O süßes Kind! entlaste mich der Sorgen!

Ist es die Jagd allein, die dir gefällt,
So jage denn den flücht’gen Hasen auf,
Den Fuchs, der List dir nur entgegenstellt,
Das Reh, deß einzige Vertheid’gung Lauf.
Besteig’ dein flücht’ges Roß, gebeut den Hunden,
Doch laß die Eberjagd und ihre Wunden. –

Ist der kurzsicht’ge Rammler aufgejagt,
Dann merke, wie das arme Thier sich windet,
Wie es den Wind im Lauf besiegt, sich plagt,
Die Wege kreuzt, bald hier, bald dort sich findet;
Er macht die Plätze, die er dann durchirret,
Zum Labyrinth, das seinen Feind verwirret.

Wo Schafe weiden, geht er in die Heerde,
Und hofft, der Hund verliere nun die Spur;
Steckt bei Kaninchen gerne, die die Erde
Aufwühlen, flieht er die Verfolger nur;
Auch mischt er wohl sich in der Hirsche Schaaren,
Ihn lehren List und Ränke die Gefahren.

Denn hier, wo fremde Fährte sie verführt,
Da fehlt die Spur, und Zweifel kommt den Hunden;
Sie schweigen, bis sie dann es ausgespürt
Und ihren Fehler endlich aufgefunden.
Dann tönt der Jagdruf, und das Echo hallt,
Daß in der Luft ein zweiter Jagdruf schallt. –

Der Hase sitzt auf fernem Hügel still,
Auf müden Hinterbeinen; horcht und lauscht,
Ob man ihn weiter noch verfolgen will;
Und wenn dann Hundsgebell die Luft durchrauscht,
Dann bringt ihm das, gleich wie dem Todeskranken
Der Todtenglocke Schall, Todesgedanken.

Nun sieh’ den armen Rammler schweißbenetzt!
Er geht, er kommt, es läßt der Weg ihn schwanken;
Wie jeder Dornbusch neidisch ihn verletzt,
Ein Schatten macht ihn stehn, ein Murmeln wanken.
Wer Unglück leidet, dem ist Hülfe fern,
Ihn niedertreten möchte Mancher gern.

O liege still! Was bist du so in Hast?
Nein, ringe nicht! Du darfst mir noch nicht gehen!
Ich mache dir die Eberjagd verhaßt,
Du mußt mich hören, um mich zu verstehen.
Ich habe dies und jenes noch zu sagen,
Die Liebe spricht so gern von ihren Klagen.

Wo ließ ich’s doch?" "Gleich viel", sprach er, "laß mich,
Und dann ist die Geschichte schön beschlossen.
Die Nacht ist hin." Sie sprach: "Was kümmert’s dich?"
Und er: "Es harren meiner die Genossen;
Nun werd ich fallen, dunkel ist der Weg."
"Dann findet Lieb’ am sichersten den Steg!"

Versetzte sie, "und fällst du, wolle glauben,
Du wärest hangen irgendwo geblieben,
Weil auch die Erd’ ein Küßchen dir will rauben;
Ein großer Schatz macht Ehrliche zu Dieben;
Mit Recht hüllt Luna sich in Wolken ein,
Denn sieht sie dich, muß sie meineidig sein.

Nun weiß ich wohl, woher dies Dunkel stammt:
Luna verbirgt den Silberglanz aus Scham,
Bis die Natur um Hochverrath verdammt,
Weil sie dem Himmel Götterformen nahm,
Und dich, dem Himmel trotzend, drin gekleidet,
Was Sol bei Tag, Luna bei Nacht beneidet.

Drum wußte sie die Parcen aufzuregen,
Die Künstlerarbeit der Natur zu hindern,
Vollkomm’ner Schönheit Schwäche beizulegen,
Durch Fehler die Vollendung selbst zu mindern;
Und brachte jedes Unglück in die Welt,
Das diese leider nur zu sehr entstellt;

Als heiße Fieber, Schwäche, Seuchen, Gicht,
Die gift’ge Pest, des Wahnsinns tolle Wuth,
Die Krankheit, die des Lebens Mark umflicht
Und Unheil schafft, erhitzend unser Blut; —
Betrug und Lug und Laster, Gram und Weh’n,
Entstellen die Natur, weil du so schön.

Und dieser Uebel kleinstes hat die Macht,
Im Augenblick die Schönheit zu vernichten;
Der Glanz, der Farbenschmelz, die holde Pracht,
Auf die bewundernd sich die Blicke richten,
Sind plötzlich hingeschwunden und verweht,
Wie vor der Mittagssonne Schnee zergeht.

Drum auf, nutzlose Keuschheit sei verlacht!
Laß eigensücht’ge Nonnen uns verhöhnen!
Sie hätten bald die Erde leer gemacht,
Und Mangel wär’ an Töchtern wie an Söhnen;
Drum brenne Nachts dein Lämpchen, spare nicht,
Denn so verbrauchtes Oel erzeuget Licht!

Dein Körper ist ja nichts als der Verlust
Von all’ den Sprossen, die du in dir trägst;
Und die du mit der Zeit doch haben mußt,
Wenn du sie nicht in Dunkelheit erschlägst;
Und thust du das, verachtet dich die Welt,
Weil ihre schönste Hoffnung dann zerfällt.

Und so in dir dich selber zu vernichten,
Ist größre Unthat noch als Bürgerzwist,
Als in Verzweiflung selber sich zu richten,
Verdammlicher, als Kindermord schon ist;
Verborgne Schätze muß der Rost zerstören,
Benutztes Gold wird neues Gold gebären."

Adonis sprach: "Nein, nein! du willst mit List
Mich wieder auf das alte Thema bringen;
So hab’ ich dich denn erst umsonst geküßt?
Vergebens suchst du mit dem Strom zu ringen;
Bei dieser Nacht, der Nährerin der Laster,
Du wirst mir durch dein Reden nur verhaßter! –

Und wären tausend Zungen dir verliehen,
Und jede mehr als deine noch beredt,
Bezaubernd, wie der Nixe Melodieen, –
Doch wird der Ton an meinem Ohr verweht;
Gewaffnet steht mein Herz in meinem Ohre,
Und schließet falschen Tönen dort die Thore;

Auf daß nicht der verführerische Klang
Sich in das Kämmerchen der Brust mir schleiche,
Und dann aus meinem stillen Herzen bang
Des süßen Schlafes sanfte Ruhe weiche!
Nein, Königin: mein Herz will keinen Kummer,
Und, da’s allein schläft, kennt gesunden Schlummer.

Was sprachst du, das nicht besser mir bewußt?
Es ist der Sünde Pfad so sanft und breit;
Die Liebe fass’ ich nicht, nein, deine Lust,
Die deine Liebe jedem Fremden leiht;
Nur zur Vermehrung thust du’s – schön erdacht!
Da wird Vernunft zur Kupplerin gemacht. –

Nenn’s Liebe nicht! Zum Himmel floh die Liebe,
Seit Wollust sich mit diesem Namen deckt,
Und unter solchem Schein die wilden Triebe
Mit frischer Schönheit nährt, und die befleckt!
Die wilde Räuberin wird sie zerstören,
Wie Raupen zarte Blätter gern verheeren.

Die Liebe nährt, wie Sonnenschein nach Regen,
Die Wollust ist’s, die Sturm nach Sonne beut;
Frisch bleibt des Liebefrühlings holder Segen,
Die Wollust bringt den Winter vor der Zeit.
Die Liebe schwelget nicht, die Wollust praßt,
Die Lieb’ ist wahr, da Wollust Wahrheit haßt.

Mehr könnt’ ich sagen, doch es soll nicht sein:
Der Text ist alt, der Redner jugendlich;
Mein Antlitz ist voll Scham, mein Herz voll Pein,
Betrübt, o Königin! verlaß ich dich.
Die Ohren, die gehört, was du gesprochen,
Sie glüh’n, und strafen so, was sie verbrochen."

Er spricht’s, und reißt von ihrer Brust sich auf,
Die ihn geladen hat zum höchsten Glück;
Eilt heimwärts durch die Flur in schnellem Lauf,
Und läßt im Gram die Göttin dort zurück;
Ein heller Stern, der sich vom Himmel windet
Erscheint er, als er in die Nacht entschwindet.

Sie sieht ihm nach, wie man vom Ufer sieht
Auf’s Schiff, darin ein Freund sich eingeschifft,
Bis es das wilde Meer dem Aug’ entzieht,
Wo Weg’ und Himmel fern zusammentrifft.
Nun hüllet ihn, der Licht ihr sonst gebracht,
In schwarzes Dunkel ein die finstre Nacht.

Bestürzt darob, wie, wem ’nen Edelstein,
Der werth ihm war, die wilde Fluth verschlang,
Erschreckt, wie wohl der Wanderer mag sein,
Wenn ihm im Wald das Licht erlosch, so bang
Liegt dort die Königin, vom Schmerz gebeugt,
Ihr fehlt das Licht, das ihr den Weg gezeigt.

Sie schlägt den Busen sich, beginnt zu stöhnen,
Daß alle Nachbarhöhlen, aufgeschreckt,
Die Klagelaute hallend wiedertönen;
Es hat ihr Schmerz das Echo aufgeweckt;
"O wehe mir!" so ruft sie, "weh’ mir, oh!"
Und immer ruft das Echo eben so.

Sie merkt darauf, und sie beginnt zu klagen
In langen Liedern, dumpf und trauervoll:
Wie Liebe Jugend kann in Fesseln schlagen,
Wie sie in Thorheit klug, in Klugheit toll;
Sie endet stets das Lied mit Ach und Oh,
Des Echos Chöre enden eben so.

Langweilig war’s, und dauerte die Nacht,
Denn scheinbar kurz sind lang Verliebter Stunden;
Wer liebt, der glaubt, was ihm Vergnügen macht,
Sei auch zu jedes Andern Lust erfunden.
Der Liebe Mährchen wollen nimmer enden,
Und Niemand hört; sie spricht vor leeren Wänden.

Sie bringt die Nacht hin, mit des Echos Tönen,
Die, Parasiten gleich, sich an sie schmiegen,
Wie gute Wirthe wohl sich d’ran gewöhnen,
Sich ihrer Gäste Launen stets zu fügen.
"So soll es sein!" spricht sie, "so soll es sein!"
Spricht auch das Echo, sagt sie "nein!" spricht’s "nein!"

Nun schwingt die Lerche sich in heller Luft,
Der Ruhe müde, schnell zum Himmel auf,
Erweckt den Morgen, dessen Silberbrust
Phöbus entläßt zu seinem Tageslauf;
Und dieser läßt gleich flüss’gem Golde blitzen
Der Cedern Wipfel und der Berge Spitzen.

Und Venus giebt ihm diesen Morgengruß:
"Du klarer Gott, der allem Licht gebeut,
Von dem so Stern wie Lampe borgen muß
Den hellen Strahl, mit dem sie Schein verleiht,
Es lebt ein Erdensohn, so reich an Licht,
Daß seines Glanzes Pracht selbst dir gebricht."

In einen Myrthenhain ist sie gekommen,
Und schmollt, daß schon der Morgen vorgerückt,
Und sie noch nichts von ihrem Lieb vernommen,
Kein Horn gehört, und keinen Hund erblickt;
Da höret sie die Hunde plötzlich heulen,
Und jagt dem Schalle nach im schnellsten Eilen.

Die Büsche, die auf ihrem Weg sich finden,
Die halten sie; der küsset ihr Gesicht,
Und der versucht’s, die Hüft’ ihr zu umwinden,
Bis sie in Hast aus der Umarmung bricht.
So eilt ein Reh, deß volle Euter schmerzen,
Ihr Junges schnell zu säugen und zu herzen.

Nun höret sie, die Hunde sind in Noth,
Und sie erstarrt, wie der, dem eine Schlange
In seinem Weg geringelt dar sich bot,
Und den die Furcht dann zittern macht und bange.
So weiß auch hier der Hunde furchtsam Bellen
Mit Blässe das Gesicht ihr zu entstellen.

Sie merket wohl, daß es um Großes geht:
Es gilt dem Eber, Löwen oder Bären,
Weil das Gebell an einem Orte steht,
Und dort auch bleibt, sie kann es deutlich hören;
Die Hunde, die den Feind so muthig finden,
Sie scheuen alle mit ihm anzubinden. –

Ihr traurig Ohr erfüllt das wilde Schrei’n,
Und dringt hindurch um ihr in’s Herz zu ziehen,
Das, überwunden bald von Furcht und Pein,
Ihr Denken und ihr Fühlen läßt entfliehen;
Wie Krieger, wenn der Führer liegt erschlagen,
In feiger Flucht nicht mehr zu stehen wagen,

So steht auch sie in zitternder Betäubung,
Bis sie den tiefbetrübten Sinn ermannt;
Sie sagt sich dann, es sei nur Uebertreibung,
Was sie geschreckt, hat’s Kinderfurcht genannt;
Sie heißt sich muthig sein, kühn und entschlossen, –
Da plötzlich kommt der Eber angeschossen,

Deß schaumbesprühter Rachen roth befleckt,
Wie weiße Milch gemischt mit rothem Blut,
Ihr armes Herz zum zweiten Mal erschreckt,
Und sie verscheucht; nicht weiß sie, was sie thut,
Bald läuft sie schnell, bald hält sie plötzlich ein,
Und kehrt zurück, den Eber Mords zu zeih’n.

Auf tausend Wege treibt der Unmuth sie;
Sie geht und kommt zurück, sie scheint verwirret,
Sie jagt und eilt, doch weiter kommt sie nie,
Dem Trunknen gleich, der taumelnd wankt und irret,
Der voll von Vorsicht unvorsichtig ist,
Und Alles wollend, Alles doch vergißt.

Da sieht sie einen Hund im Busch gestreckt,
Und sie beginnt den müden anzureden;
’nen andern dort, der seine Wunden leckt,
Das einz’ge Mittel gegen gift’ge Schäden;
Hier kommt ein dritter angejagt und heult,
"Wo ist dein Herr?" – Allein das Thier enteilt.

Kaum hat sein trauriges Gebell geendet,
Da kommt ein andrer schon, der ungestüm
Scheußliche Töne zu den Wolken sendet,
Ein andrer und ein andrer folgen ihm,
Die stolzen Schwänze matt zum Boden senkend,
Die Ohren schlaff, mit Blut die Wege tränkend.

So wie das Völklein dieser Welt erschrickt
Vor Mißgeburten und vor Wunderzeichen,
Auf die es lange furchtsam hingeblickt, –
Wie bange Ahnungen es dann beschleichen,
So seufzt die Göttin jetzt in ihrer Noth
Und athmet tief, und spricht dann so zum Tod:

"Du blasser, mißgeschaffener Tyrann,
Der Liebe Scheidung" (also schilt sie ihn),
"Du grinsendes Gespenst, was trieb dich an,
Ihm, der so hold, den Athem zu entzieh’n?
Ihm, der den Rosen Glanz verlieh im Leben,
Und der den Veilchen Wohlgeruch gegeben.

Und ist er todt, – doch nein! Unmöglich! Nein,
Du würdest nie an solchen Reiz dich wagen!
Und doch! – O du bist blind, doch kann es sein,
Du hast in blinder Hast ihn mir erschlagen!
Das Alter ist dein Ziel! dein falsch Geschoß
Ging irre, da es Kinderblut vergoß!

Und riefst du nur: "Hab’ Acht!" – er sprach so weich, –
Dann sprach er, und du konntest ihn nicht tödten;
Die Parzen fluchen dir für diesen Streich;
Du stahlst die Frucht, und solltest Unkraut gäten.
Es war für ihn gespannt der Liebe Bogen,
Nun hat dein schwarzer Pfeil ihn mir entzogen!

Nährst du von Thränen dich, und mußt mich kränken?
Kann Vortheil dir aus meinem Gram entsteh’n?
Warum in ew’gen Schlaf das Auge senken,
Von dem die andern alle lernten seh’n?
Nun wird dein Toben die Natur nicht kümmern,
Da du ihr Schönstes wußtest zu zertrümmern!"

Hier senkt sie, von Verzweiflung übermannt,
Die schönen Augenlieder; diese schlossen
Der Fluthen Strom, der, ihrer Wang’ entsandt,
Zu ihrem Busen war herabgeflossen;
Doch wehren sie dem Silberregen nicht,
Der, diese Thore öffnend, sie durchbricht.

Wie Thränen nun und Augen leih’n und borgen!
Thränen im Auge, und das Aug’ in Thränen
Seh’n sie, Krystalle beide, ihre Sorgen,
Sorgen, die Seufzer noch zu trösten wähnen,
Daß Thrän’ und Seufzer, gleich wie Wind und Regen,
Die Wangen naß, und wieder trocken legen.

Die Leidenschaften, die in ihr vereint,
Sie scheinen um den Vorrang sich zu streiten;
Sie unterhält sie alle; jede scheint,
Herrscht sie, das größte Leid ihr zu bereiten;
Doch keine siegt, bis sie zusammentraten,
Gleich Wolken, die sich über Sturm berathen.

Da hört sie fern her eines Jägers Ton!
Kein Kind hat so der Amme Sang vergnügt.
Der bloße Hoffnungslaut entreißt sie schon
Der Last des Kummers, dem sie fast erliegt;
Sie schmeichelt sich, so weit ist sie gekommen,
Adonis selber habe sie vernommen.

Da stillet bald der Thränen Strom sich wieder,
Wie Perlen stehen sie im Auge fest;
Nur selten sinkt ein glänzend Tröpfchen nieder,
Das dann die Wange saugt und nicht entläßt,
Damit sich keins zum schmutz’gen Boden senke,
Der trunken ist, wenn Venus hier ertränke.

Ungläub’ge Liebe! Wunderbares Spiel!
Ungläubig, und zu glauben doch bereit, –
Im Wohl, im Wehe, nimmer hälst du Ziel,
Und bist belachenswerth in Lust und Leid.
Du hoffst Unmögliches in deiner Freude, –
Dich tödtet blose Möglichkeit im Leide.

Was sie gewebt, das wird nun umgewandt.
Adonis lebt, der Tod ist nicht zu tadeln;
Sie war es nicht, die grinsend ihn genannt,
Sie will ihn rühmen nur, sie will ihn adeln,
Sie nennt ihn Grab der Fürsten, Gräberkönig,
Herrscher der Welt, und denkt, noch sei’s zu wenig.

"Nein" sprach sie, "lieber Tod, Scherz war es mir,
Und doch, – verzeihe! – mir entwich der Muth;
Als ich den Eber sah, das wilde Thier,
Das ohne Mitleid ewig dürstet Blut,
Da schmäht’ ich dich, der Wahrheit sei die Ehre,
Aus Furcht, daß mir mein Lieb entrissen wäre.

Nicht mir schreib’s zu, der Eber reizte mich,
Dies scheußliche Geschöpf hat dich gekränkt,
An ihm, o Unsichtbarer, räche dich,
Ich war das Werkzeug, er hat mich gelenkt.
Zwei Zungen hat der Schmerz; beide zu zwingen
Kann nur zehnfachem Weiberwitz gelingen."

So, voll von Hoffnung, daß Adonis lebe,
Entschuldigt und verneint sie, was gescheh’n,
Und, daß er seiner Schönheit Dauer gebe,
Giebt sie dem Tode schmeichelnd zu versteh’n,
Spricht von Trophäen ihm und Siegeszeichen,
Und wie kein Ruhm dem seinen zu vergleichen.

"O Zeus, wie thöricht war, was ich ersann!"
So ruft sie aus, "wie schwach an Geist und Sinn,
Um den zu trauern, der nicht sterben kann,
Bis alles Sterbliche in Staub sinkt hin!
Denn ist er todt, dann sank die Schönheit nieder,
Ist Schönheit todt, dann kehrt das Chaos wieder.

O Liebe, du wirst so von Furcht gebeugt,
Wie Reiche, wenn sie Räuber wild bedräu’n;
Was weder Ohr noch Auge dir bezeugt,
Das füllt dein banges Herz mit Furcht und Pein!"
Da höret sie ein Horn, und hüpft vor Freuden,
Sie, voll Verzweiflung eben und voll Leiden.

Gleich wie zum Atz der Falke jagt sie fort,
Leicht, daß kein Grashalm unter ihr sich biegt, –
Da sieht sie plötzlich, – weh’! o Unglücksort! –
Vom Eber ihres Herzens Lust besiegt!
Es hüllen ihre Augen sich in Nacht,
So birgt der Stern sich, vor des Tages Pracht. –

Wenn du ihr Horn berührst, wie dann die Schnecke
Sich schmerzvoll in die Muschelhöhle schmiegt,
Zurückgekauert bleibet im Verstecke,
Und furchterfüllt nur spät erst weiter kriecht,
So auch bei diesem blut’gen Anblick stehlen
Sich ihre Augen in die Augenhöhlen.

Es soll das kummervolle Hirn die Pracht
Der schönen Augen nach Gefallen lenken,
Und dies befiehlt: Verbleibet noch in Nacht,
Denn sehend würdet ihr die Herrin kränken.
Sie seufzte tief; – wie wenn ein König fühlt,
Daß ihm der Tod im wunden Herzen wühlt,

Und stöhnt, daß jeder Unterthan erzittert, –
Wie wenn die Luft, im Boden eingepreßt,
Den Ausweg suchend, unsre Erd’ erschüttert,
Und dann vor Furcht die Menschen beben läßt,
So schüttelt jener Seufzer ihre Glieder,
Und öffnet die geschloßnen Augen wieder,

Die willenlos und nicht auf ihr Geheiß,
Die Wund’ erblicken, die der Eber schlug
In seine Weiche, deren Lilienweiß
Nun dunkelrothe Purpurfarbe trug;
Kein Blümchen stand umher, kein Gräschen grün,
Das nicht in seinem Blut zu bluten schien.

Und Venus sieht das Mitgefühl; sie neigt
Zur weißen Schulter niederwärts das Haupt, –
Ihr Leid ist sinnlos, ihre Sorge schweigt;
Sie wähnt ihn lebend, den der Tod geraubt;
Ein Bildniß scheint sie, wie aus Erz gegossen,
Und zürnt, daß ihre Thränen je geflossen.

Auf seine Wunde schaut sie unverwandt,
Bis dreifach wird der einen Wunde Schein,
Und schilt ihr Auge dann, das Wunden fand,
Wo, wie sie wünscht, kein Ritzchen sollte sein.
Sie sieht ihn doppelt, denn das Auge irret,
Wenn das Gehirn sich und der Geist verwirret.

"Nicht Worte find’ ich, einen zu beklagen,"
Spricht sie, "und doch seh’ ich der Todten zwei;
Selbst Thränen wollen jetzt sich mir versagen,
Die Augen glühen mir, das Herz ist Blei;
Schmilz, hartes Blei, am Feuer meiner Augen,
Und laß aus diesen Tropfen Tod mich saugen!

Welch reicher Schatz, o Welt, ist dir entschwunden!
Welch Angesicht ist noch des Anschaun’s werth!
Weß Zung’ ist nun Musik! Was wird gefunden,
Vergang’nes, Künftiges, dem Ruhm beschert?
Wohl mögen Blumen noch in Farben prangen,
Die wahre Schönheit ist mit ihm vergangen!

Wem kann nun Hut und Schleier nöthig sein?
So Wind wie Sonne küssen nur die Schönen,
Und Schönheit starb; drum braucht ihr nichts zu scheu’n,
Denn Wind und Sonne werden euch verhöhnen;
Nur als Adonis lebte, hatten beide
An seiner Schönheit Raub, gleich Dieben, Freude.

Er trug ein Hütchen, unter dessen Rand
Mit ihren Strahlen sich die Sonne wagte;
Bald hatte leicht der Wind es ihm entwandt,
Und spielte mit den Locken; er, er klagte,
Vergoß auch Zähren wohl; Leid war es jenen,
Sie eiferten, zu trocknen seine Thränen.

Ihn anzublicken ging der Leu verstohlen
Tief in’s Gebüsch, er mocht’ ihn nimmer stören;
Und wenn er Lieder sang, sich zu erholen,
Dann pflegte zahm der Tiger ihn zu hören.
Von seiner Beute hat den Wolf geschieden
Adonis’ Wort; es gab den Lämmern Frieden.

Wenn er sein Bild im stillen Bache sah,
Dann kamen Fischlein mit den gold’nen Kiemen;
Naht’ er, wie freuten sich die Vögel da!
Sie sangen Lieder nur, um ihn zu rühmen,
Sie brachten Kirschen dann, um ihn zu nähren;
Sie sättigte der Anblick, ihn die Beeren.

Der Eber nur, so scheußlich und so wild,
Der erdwärts seine grimmen Blicke trug,
Nach Gräbern suchend, sah nie dieses Bild;
Das zeigt die Todeswunde, die er schlug.
Wenn er sein Antlitz sah, dann muß ich sagen,
Er wollt’ ihn küssen, und hat ihn erschlagen.

Gewiß, gewiß! Nur so hat er geendet!
Mit scharfem Speer rannt’ er den Eber an,
Der nicht die Hauer gegen ihn gewendet,
Nein, der ihn küssend zu beruh’gen sann.
Liebkosend schmiegt er sich an seine Weiche,
Und macht ihn unfreiwillig dann zur Leiche.

Wär’ ich so zahnbewehrt, ich muß bekennen
Dann gab ich küssend früher ihm den Tod!
Nie wollt’ er seine Jugendgluth mir gönnen,
Er starb – ach, um so größer meine Noth!"
Sie sinket, wo sie stand, die Erde deckend,
Mit seinem Blut ihr Angesicht befleckend.

Sie blickt auf seine Augen, sie sind bleich;
Sie faßt ihn bei der Hand, Und sie ist kalt;
Sie flüstert traurig in das Ohr ihm, gleich
Als hört’ er noch, wie ihre Klage schallt;
Sie hob die Augenlieder ihm und sah –
Ach, zwei verlosch’ne Lampen lagen da!

Zwei Spiegel, drin sie tausend Male sich
Beschaut, die werfen fürder keinen Strahl;
Die Kraft, mit der sie glänzten, sie verblich,
Es war der Tod, der ihre Schönheit stahl.
"Wunder der Zeit!" sprach sie, "nur mich zu kränken,
Kann Phöbus, da du starbest, Licht noch schenken.

Da du gestorben bist, so soll auf Erden
Sich mit der Liebe stets verbinden Pein;
Sie soll von Eifersucht begleitet werden,
Süß soll ihr Anfang, herb ihr Ende sein;
Es soll sich Niedriges zu Hohem fügen,
Der Liebe Leid soll ihre Lust besiegen.

Es sei die Liebe falsch und voll Betrug;
Ein Hauch soll sie im Augenblick verwehen;
Ihr Boden Gift, doch oben süßer Lug;
Das schärfste Auge soll getäuscht sich sehen.
Sie wird die Kraft der Stärksten selbst verlachen,
Die Weisen stumm, die Thoren redend machen.

Zu sparsam soll sie sein, und doch verschwenden;
Das schwache Alter soll sie tanzen lehren;
Den starren Blick des Schurken soll sie wenden;
Den Reichen plündern, Armer Schatz vermehren.
Bald sei sie rasend, bald zu mild gesinnt,
Ihr sei der Jüngling Greis, der Greis ein Kind.

Sie wird die Unschuld als verdächtig kränken,
Zutraulich sein, wo man sie höhnt mit Lügen;
Zu streng und hart, und dennoch Mitleid schenken,
Wo sie gerecht erscheint, am meisten trügen.
Wo sie gelehrig scheint, da tückisch sein,
Dem Muth’gen Furcht, dem Feigling Muth verleih’n.

Sie giebt den Grund zu Krieg und Räuberei’n,
Läßt Zwietracht zwischen Sohn und Vater gähren;
Wird jedem Mißvergnügen dienstbar sein,
Wie trocknes Holz und Oel das Feuer nähren;
Da mir der Tod mein junges Lieb entrissen,
Soll treue Liebe stets den Lohn vermissen."

Hier schwand in Dunst der Knabe, der getödtet
Am Boden lag, aus ihrer Augen Kreis,
Und aus dem Blut, das rings die Erde röthet,
Sprang eine Blume, purpurroth und weiß,
Sie glich den blutbefleckten blassen Wangen,
Auf deren Weiße rothe Tropfen prangen.

Und Venus riecht sie, neigt das Haupt ihr zu.
Und wähnt, Adonis Athem aufzuküssen,
An ihrem Busen, sagt sie, finde Ruh’
Das Blümchen, da ihn selbst der Tod entrissen.
Sie bricht den Stengel dann und weiß den reichen
Saft, der entquillt, mit Thränen zu vergleichen.

Sie spricht: "Das ist es, was von ihm dir kam,
Du, eines süßern Vaters süßes Kind!
Er hatte Thränen für den kleinsten Gram,
Nur sich zu leben war auch er gesinnt,
Und so bist du; doch welkest du gleich gut
An meinem Busen und in seinem Blut.

An meiner Brust war deines Vaters Bette,
Es hat sein Kind das Recht, darin zu liegen;
So nimm denn meine Brust zur Ruhestätte,
Mein klopfend Herz soll Tag und Nacht dich wiegen.
Nur deiner, süßes Lieb, will ich gedenken,
Und deiner Blume Küss’ um Küsse schenken!"

Und müde dieser Welt fliegt sie dahin,
Sie schirrt die Silbertauben an den Wagen,
Die durch den Himmel die Gebieterin,
Mit leichtem Flügelschlag enteilend, tragen.
Sie geht nach Paphos, denn in diesen Mauern
Will ungesehn die Liebesgöttin trauern.

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Buchcover William Shakespeare: Venus and Adonis
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